Neomat

Kapitel 4

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Gefühlschaos oder: Die Summe aller Gedanken

 

Hinter blutroten Mauern eingesperrt. Ein Raum zu groß für Einsamkeit, doch zu klein für zwei. Ohne einen Funken Licht in der Dunkelheit wartend und auf den sicheren Tod zählend. Tage. Monate. Jahre. An den Wänden kann man einzelne Risse ertasten. Narben? Die Zeit hat diesen Räumlichkeiten öfter mal einen grausigen Streich gespielt, die Wunden dann geheilt und Erinnerungen hinterlassen. Viele Stellen sind mit Vergangenem beschmutzt oder mit Hoffnung bekleidet. Leere hüllt das Verlies manchmal in düstere Stimmung. Eine Stimmung, die Tränen ein Lachen aufsetzt, denn diese bekommen dadurch ihre Freiheit zurück. Sie füllen den Raum langsam, aber sicher mit Bitterkeit und wer nicht ertrinken will, der schluckt. Totale Stille kommt öfter mal vorbei. Sie setzt sich dann in die Ecken und gaukelt einem Besserung vor. Ist sie es satt, verzieht sie sich wieder ins Nichts und ebnet den Weg für die gepeinigten Schreie. Hören tut das niemand. Es geht auch niemanden etwas an. Dies ist eines der besten Verstecke auf dieser Welt. Geschützt vor den Abgründen des Alltags. Geschützt vor dem Leben. Ja, das bildliche Herz ist ein wahres Monument der Menschlichkeit, doch als ich frei sein wollte, musste es zum Einsturz gebracht werden.

 

*** Allgemein ***

Gefühle, die unbewussten Drahtzieher eurer Taten. Direkt vorweg: In diesem Kapitel wird es jetzt nicht um körperliche Reize wie Hunger, Durst oder Schmerz gehen. Es geht vielmehr um all jene Gefühle, die nicht lebensnotwendig sind. All die Gefühle, die nichts weiter als die Summe mehrerer Gedanken sind. Ein Gefühl entsteht, wenn auf einmal die Gedanken in alle Richtungen gehen. Weil der Mensch aber nur imstande ist, immer nur jeweils einen Gedanken zu halten, verlaufen die anderen Gedanken sich im Nichts und verursachen nicht selten auch körperliche Reaktionen wie Zittern, Schweißausbrüche, Gänsehaut und ein Kribbeln im Bauch. Ihr macht einen großen Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Gedanken und einem ganzen Gefühl. Dabei gibt es eigentlich nicht den geringsten Zweifel, dass beides aus dem gleichen Stoff gemacht ist. Ein Gedanke entspringt dem Kopf, ein Gefühl aber anscheinend dem Bauch. Wenn das Gehirn aber, aus dem Kopf, keinen Befehl dazugibt, würde das Gefühl wohl mit verdaut werden. Ich werde einfach mal ein paar Gefühle auflisten und beschreiben, wie ich die Lage sehe. Natürlich wird bei dem einen oder anderem Gefühl, die Sache etwas komplizierter. Ihr habt, wie bereits festgestellt, die Eigenheit, allem eine Gewichtung zuzuordnen. Wenn nun aber Gefühle ins Spiel kommen, dann kann sich alles auch mal in Verwirrung und Unklarheit verlaufen.

Unter „Allgemein“ passt auch sehr wohl der Satz: „Ich hab da so ein Gefühl!“ Keiner von euch konnte mir genau erklären, was damit gemeint ist und welches der vielen Gefühle am ehesten damit angesprochen wird. Manche nennen es Intuition, andere sagen dazu einfach Bauchgefühl (oder „aus dem Bauch heraus“). Mir ist aufgefallen, dass dieses Gefühl euch bei Entscheidungen zur Seite steht und euch immer wieder hilft, eine Wahl zu treffen. Ich bin mir fast sicher, dass die Entscheidung unbewusst gefällt und dann durch dieses „Bauchgefühl“ bewusst gemacht wird. Die Entscheidung selbst beruht meist auf Erfahrung und momentanen Vorlieben. Unter die gleiche Kategorie voller Schwachsinn fallen, neben diesen beiden Hirngespinsten, auch die sogenannten „Ahnungen“. Ihr habt einfach die Tendenz, eure Unwissenheit nicht öffentlich zur Schau stellen zu wollen, und formuliert euch sauber aus der Situation raus, indem ihr solche Ausdrücke benutzt. Irrt ihr euch, so war euer „Bauchgefühl“ schuld, behaltet ihr aber recht, so kann man sich am Ende auf eure „Intuition“ verlassen. Es ist fantastisch, mit Worten zu jonglieren, wenn man im Grunde doch ganz einfach nur keine „Ahnung“ hat.

*** Wut ***

Das Blut beginnt zu kochen, der Puls steigt auf 180 und alles, was nicht festgenagelt ist, droht durch die Gegend zu fliegen. Wut, Zorn, Rage oder wie auch immer man diese Kurzzeitaussetzer des „gesunden Menschenverstandes“ nennen will. Sie haben nur das Ziel, das Nichtgefallen auf eindrucksvolle und unmissverständliche Art und Weise zum Ausdruck zubringen. Man behauptet immer, ein Mensch, der wütend ist, wäre gleichzeitig auch unberechenbar. Dies ist nur bedingt wahr. Derjenige, der wütend ist, der weiß meist ganz genau, wie weit er bereit ist zu gehen und was er bereit ist zu tun. Die Folgen sind in dem Augenblick für ihn unwesentlich. Woher kommt Wut denn eigentlich? Wut kristallisiert sich aus Zweifel, Frust und der Gefahr, die Kontrolle über die Situation zu verlieren. Die Stimme erhebt sich, Kraftausdrücke nehmen an Häufigkeit zu und Übergriffe auf andere Menschen können in manchen Fällen auch nicht verhindert werden. Je nachdem in welcher Situation die tickende Bombe sich befindet, kann es aber auch durchaus vorkommen, dass der ganze Ärger einfach geschluckt und die Wut unterdrückt wird. Einige behaupten, das wäre nicht gesund und hätte körperliche Schäden zur Folge. Magengeschwüre, Kopfschmerzen und viele weitere psychosomatische Erkrankungen nähren sich förmlich von unterdrückter Wut. Dabei ist Wut so einfach kontrollierbar. Es hört sich vielleicht lächerlich an, aber der Trick ist, sich nicht ärgern zu lassen. Genau genommen entsteht die Wut im Kopf. Da ihr eigentlich alle Herr über eure Gedanken seid, könnt ihr die Wut schon im Vorfeld ausgrenzen. Es liegt am Ende immer bei euch, ob ihr es zulasst, dass ihr euch wie Idioten verhaltet, oder einfach versucht über den Dingen zu stehen und die ganze Situation nüchtern zu betrachten. Da ich schon das Wörtchen „nüchtern“ erwähne, es ist in einem alkoholisierten Zustand wesentlich schwieriger, einen klaren Kopf zu behalten, aber wem erzähl ich das.

In einigen Fällen, scheint es demjenigen, der in Rage gerät, angebracht, seine Kraft nicht am Verursacher dieses kleinen Brandes auszulassen, sondern vielmehr an Gegenständen oder anderen Personen, die das Pech haben, gerade in der Gegend rumzustehen. Welch machtvoller Stärkebeweis ist es doch, eine Vase zu Boden zu werfen und laut dabei rumzuschreien. Wer da nicht sofort zittrige Knie bekommt, der muss aus Stahl sein …

*** Trauer ***

Wer in Tränen ausbricht und die Welt beklagt, der leidet unter akuter Trauer, Frust, Melancholie. Oder er ist einfach unglücklich. Es gibt viele Bezeichnungen für den Zustand der reinen Zeitverschwendung. Zuerst sollte man sich klar werden, woher Trauer kommt und warum sie rein egoistisch ist. Trauer kommt durch Bindung. In all den Fällen, in denen Menschen Entscheidungen treffen und Urteile fällen, kommt es immer wieder vor, dass eine Gewichtung so hoch angesetzt wird, dass sie das persönliche Niveau erreicht. Irgendwas, sei es nun ein Gegenstand oder eine Person, Hauptsache sie gehört nicht zur eigenen Identität, hat es nun also geschafft, so wichtig für jemanden zu werden, dass alle Folgen so empfunden werden, als würden sie dem eigenen Kopf entspringen. Der Verlust wird zum persönlichen Verlust. Wenn ihr traurig seid, aus welchem Grund auch immer, so wollt ihr das der Welt mitteilen. Euer Gesichtsausdruck, eure Haltung und eure Stimmlage verändern sich in die Richtung, dass auch jeder mitbekommen muss, dass etwas euch bedrückt. Hier beginnt der Egoismus zu wachsen. Erleidet ihr nun einen Verlust, z. B. eine Trennung, ein Todesfall usw., überkommt euch wieder diese Trauer und ihr brecht vielleicht sogar in Tränen aus. Ihr redet von Mitleid? Wenn einer stirbt, kann derjenige nicht mehr „mit“ leiden! Also ist jegliches Trauergefühl nicht aus Mitleid entstanden, sondern aus Egoismus. Ihr betrauert nicht den Tod selbst, sondern viel eher euren persönlichen Verlust.

Es kommt nicht darauf an, wie oft ihr in einer etwas melancholischen Phase steckt, nein, manchmal scheint es mir so, als wäre Melancholie das Vergnügen, traurig zu sein. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange die Trauer nicht überhand nimmt und euch dadurch das Leben nicht mehr lebenswert erscheint.

Trauerarbeit ist sogar wichtig für euch. Man sagt, die Zeit heilt alle Wunden. Ich kann dem nur zustimmen. In euren kleinen Wirklichkeiten braucht es Zeit, bis ihr euch an etwas gewöhnt habt und euch etwas sozusagen ans Herz gewachsen ist. Wird euch nun etwas entrissen, leidet das Herz wohl verständlich darunter und diese Wunde muss erst wieder verheilen. Wenn Trauerarbeit nicht wäre, gingen die Reparaturen nur sehr schleppend voran. Ich könnte ja jetzt behaupten, viel einfacher wäre es, nichts mehr so nahe an sich ranzulassen, denn wenn man sich nichts mehr zu Herzen nimmt, kann das Herz auch keinen Schaden mehr davontragen. Nun, da wird jetzt jeder sagen, wie kann man denn nur so gefühlskalt sein. Das hat mit Kälte überhaupt nichts zu tun! Wie anfangs erwähnt, sind Gefühle auch nur Gedanken. Kontrolliert man die Gedanken, kontrolliert man die Gefühle. Trauer scheint einem dann ein Fremdwort zu sein. Das bedeutet nicht, dass ein Verlust nicht doch irgendwie seine Spuren hinterlassen kann, denn auch Erinnerungen sind Gedanken, die man immer bei sich trägt. Man muss für sich selbst entscheiden, ob man lieber lacht oder weint. Ob man lieber seine Zeit mit Trübsalblasen verschwendet oder sie nutzt, um neuen Platz im Herzen zu schaffen.

*** Eifersucht ***

Wie schmerzlich der Klang dieses Wortes für meine Ohren ist. Schon wieder eine Summe, die sich aus den einzelnen gedanklichen Teilen und einer gehörigen Portion Egoismus zusammenaddieren lässt. Doch ist Eifersucht nicht ganz so schlimm wie manch anderes Gefühl. Einige wissen es zu schätzen, andere können es nicht ausstehen. Wer eifersüchtig ist, befürchtet sein Hab und Gut an jemand anderes zu verlieren. Meist wird dabei außer Acht gelassen, dass Personen, in diesem Falle der Partner, kein Besitz sind, sondern sich freiwillig dazu bereit erklärt haben, den Abschnitt ihres Lebens zu teilen. Vor allem bei Alphatierchen ist Eifersucht eine sehr häufig anzutreffende Begleiterscheinung. Wer will sich schon mit dem Alphatierchen um seinen Besitz streiten? – Na, na, na! Das geht ja gar nicht!

Eifersucht kann sogar so weit gehen, dass sie teilweise schon als krankhaft angesehen wird. Sobald der Partner auch nur in eine andere Richtung blickt, wittern die krankhaft Eifersüchtigen eine Gefahr und strecken ihre Fühler aus.

Das andere Extrem: Wer überhaupt nicht eifersüchtig ist, der ist automatisch auch desinteressiert und dem ist die Lage der Beziehung scheinbar total gleichgültig. Ist das immer so oder handelt es sich hierbei nur um ein Vorurteil? Wie man sich auch verhält, man kann es euch fast nie recht machen. Gut, dass auch Eifersucht schön kontrollierbar ist. Da sie egoistisch ist und sogar Vorurteile hervorrufen kann, sollte man sich im Klaren sein, was man persönlich genau will. Will man sein Leben teilen oder nur weiteren Besitz in sein Leben hineinholen. Ist diese Sachlage geklärt, sollte man die bessere Hälfte mithilfe eines Gespräches darüber aufklären, in welchem Maße man zur Eifersucht fähig ist, und herausfinden, wie in dem Fall die Fronten liegen. Schon unglaublich, wozu ein wenig Kommunikation manchmal imstande ist.

*** Neid ***

Der nächste Verwandte der Eifersucht ist der Neid. Es ist jedoch unklar, ob es sich hierbei um den großen oder den kleinen Bruder handelt. Neid ist auch in dem Wort „beneiden“ zu finden und zeigt, dass es sich hierbei um ein Gefühl handelt, das eine Störung im Bewertungssystem hervorruft. Dinge werden bewertet, so viel steht bis jetzt ja schon fest. Wenn also ein Gedanke dafür gebraucht wird, um den eigenen Besitz, und ein zweiter Gedanke dazu benutzt wird, um fremden Besitz zu bewerten, befinden wir uns wo? Natürlich wieder in einer zweidimensionalen Denkweise, die es uns ermöglicht, beide Gedanken ohne Hindernis zu vergleichen und zu beurteilen. Das Resultat, also die Summe aller Gedanken, die bis dahin gedacht wurden, ist dann entweder Zufriedenheit oder Neid. Gefällt euch der fremde Besitz besser als der eigene, so beneidet ihr den anderen um sein Hab und Gut. Es kann sogar so weit gehen, dass ihr ihn förmlich missachtet, weil er anscheinend, laut euren eigenen Gedanken, mehr Wert ist als ihr selbst. Gefällt euch aber euer Besitz besser, so seid ihr beruhigt und könnt wieder gelassen abends einschlafen. Vielleicht sogar mit ein wenig Schadenfreude im Hinterkopf.

Neid kann aber durchaus auch positive Seiten ans Licht bringen. Wenn Neid zum Beispiel dazu benutzt wird, um euch ein wenig Eigenmotivation zu geben, und euch anspornt, ab jetzt besser zu sein als all jene, die ihr beneidet, dann ist Neid durchaus ein nicht zu unterschätzender Faktor. Wenn der Erfolg jedoch auf sich warten lässt, kann Neid auch zu Eifersucht oder schlimmstenfalls sogar zu Trauer werden.

„Der Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung!“ – Wilhelm Busch. Was er wohl damit meinte?

*** Hass ***

Ein sehr mächtiges Wort. Hass ist wohl das tiefgründigste und ehrlichste Gefühl von allen. In ihm spiegeln sich alle Gedanken wieder, die das wahre Gesicht des Menschen zum Vorschein bringen können. Hass ist Leidenschaft und Starrsinn in einem. Er verbindet volle Hingabe mit törichtem Handeln und unglaublicher Zeitverschwendung. Hass ist die Fixierung der Gedanken auf ein bestimmtes Ziel. Ob es nun eine einzelne Person, eine Gruppe oder gar eine ganze Rasse ist. Hass macht sprichwörtlich blind. Das bedeutet, wer hasst, der will vieles nicht mehr einsehen. Er hat seine Fähigkeit, zu beurteilen und zu unterscheiden, gegen die Fähigkeit, immer wieder gegen eine Wand zu laufen, getauscht. Gegen diese Wand läuft er, bis der sprichwörtlich Klügere nachgibt. In den meisten Fällen bröckelt die Wand irgendwann. Ist ja auch zu verstehen, wie soll der Arme die Wand denn sehen, wenn er blind ist?

Wann fängt man an zu hassen? Eine Frage, die nur schwer zu beantworten ist. Ich habe Leute gesehen, die nach und nach immer mehr in Trauer versunken sind. Leute, die mit der Zeit gleichgültig geworden sind. Leute, die weitermachen konnten, als wäre nie etwas passiert. Leute, die einfach ein Lachen aufsetzten und Vergebung walten ließen. Aber alle Leute, die anfingen zu hassen, schien eine andere Kraft anzutreiben. Lange Zeit dachte ich, ich müsste mir eingestehen, dass dieses Gefühl mehr als nur die Summe der Gedanken ist. Ich suchte nach Antworten, warum Hass so mächtig ist und warum er die Leute so blind werden lässt. Dabei wurde mir klar, dass nicht der Hass schuld ist, sondern die Fixierung an sich. Wer sich lange genug etwas einredet, der glaubt es am Ende auch selbst. Die Gedanken, die anfangs nur eine gesteigerte Form von Wut hervorbrachten, tauchten immer und immer wieder in gleichen oder ähnlichen Situationen auf. Diese Tatsache funktioniert wie das Konditionieren eines Hundes. Immer wenn der Hund bei dem Befehl „Sitz!“ sich hinsetzt, wird er belohnt. Irgendwann weiß der Hund, dass „Sitz!“ so viel bedeutet wie: „Setz dich hin!“ So entsteht am Ende auch Hass. Diese Wut, die immer wiederkehrt, konditioniert unseren Kopf dahin gehend, diese eine bestimmte Situation mit Wut zu koppeln. Irgendwann, wenn das Fass dann überläuft, nennt man es nicht mehr Wut, sondern Hass. Es ist beinah so wie bei einem Taschenrechner. Nehmt mal einen zur Hand und addiert eine Weile immer wieder die gleiche Zahl. Irgendwann schafft der Rechner es nicht mehr, diese Zahl darzustellen. Wenn also Gefühle die Summe aller Gedanken sind, ist Hass dieser Moment auf dem Taschenrechner, der Moment, wo euer zweidimensionales Denken, eure Nullen und Einsen, nicht mehr ausreichen, um das Endresultat darzustellen. Wenn man so will, ist es die Kapitulation des Verstandes gegenüber den Reizen von außen!

Menschen, die vom Hass zerfressen sind, sind nur noch bedauernswert. Es ist einfacher, einem Blinden das Sehen beizubringen, als einem Hasserfüllten klarzumachen, wie sinnlos seine Fixierung ist.

An alle Leser, die wissen, dass sie imstande sind zu hassen: Bitte denkt dreimal nach, bevor ihr eure kostbare Zeit damit verschwendet, mit einem Sturkopf eine Wand einzureißen. Es gibt immer mindestens eine Alternative.

*** Freude ***

Jetzt wurden schon einige Gefühle aufgelistet, die ja eher einen negativen Einfluss auf euer Leben haben. Es ist also durchaus mal an der Zeit, auch mal von den positiven Seiten eurer Gefühle zu berichten. Das beste Beispiel dafür ist die Freude! Wenn ich meine Zeit mit Menschen verbringe, dann am liebsten mit solchen, die glücklich und zufrieden sind. Wer Freude versprüht, der kann andere Menschen damit anstecken. Das gilt allerdings auch für alle anderen Gefühle. Freude jedoch ist das ansteckendste von allen. Es ist viel einfacher, gemeinsam zu lachen, als gemeinsam zu weinen. Freude entsteht, wenn sich alle positiven Gedanken zu einem Lächeln addieren. Es ist unglaublich, wie viel einfacher ihr an Aufgaben und Ziele herangeht, wenn sie von Freude begleitet werden. Mit einem Lachen scheint die Welt in Ordnung und alles, was einst trüb und grau war, wird ausgeblendet oder in buntes Treiben verwandelt.

Ich versuche immer ein Lächeln zu tragen, wenn ich mich unter Menschen bewege, denn dann sind alle automatisch netter und freundlicher. Es ist, als wäre ein Lächeln auf den Lippen die schönste Art der Manipulation. In guter Gesellschaft lachen, einen Witz erzählen und die Welt scheint für die Dauer eines Momentes stillzustehen. Freude schafft Erinnerungen, die man sich gerne wieder ins Bewusstsein ruft. Diese Erinnerungen bringen nicht nur Trost, sie helfen auch über schwere Zeiten hinweg.

Doch sogar Freude hat in eurer Welt eine Kehrseite. Manche Menschen versuchen übertrieben glücklich zu sein, um nicht zu zeigen, wie verletzlich sie sind. Manchmal lachen sie, um nicht weinen zu müssen. Diese Art der Heuchelei finde ich nicht besonders lobenswert. Diejenigen, die sich ihrer Gefühle schämen, schämen sich ihrer Gedanken. Das beweist, dass diejenigen gelernt haben nicht immer so zu denken, wie sie es eingetrichtert bekamen. Und das ist eindeutig ein positives Zeichen. Wenn also jemandem zum Weinen ist, so soll er den Tränen freien Lauf lassen. Es ist egal, was andere denken! Am Ende ist nur der ein Held, der nicht wie andere die Norm einhält!

*** Liebe ***

Wie viele große Denker haben schon etliche Werke über dieses eine Gefühl verfasst. Unzählige Gedichte wurden geschrieben. Ganze Romane haben es als Thema und ein Film wäre kein Film, wenn nicht mindestens eine Liebschaft darin vorkommen würde. Wenn ich also über dieses brisante Thema schreibe, begebe ich mich auf die Spuren all jener, die Stunden um Stunden damit verbracht haben, über die Liebe zu schreiben, zu philosophieren und zu rätseln. Ob die Liebe nun überhaupt noch ein Gefühl ist, steht in den Sternen. Manche sehen in ihr das Gefühl aller Gefühle, andere meinen, sie stände jenseits von allem, und wieder andere tun sie ab, als wäre es eine Krankheit.

Ich habe lange Zeit überlegt, ob ich dieses Thema nicht einfach weglassen sollte, denn wer liest schon gerne etwas, was er ohnehin schon tausendmal gehört und gesehen hat. Doch in einem Buch, das von Menschen handelt, müsste ich der Liebe doch schon fast ein eigenes Kapitel widmen. Wie ihr unschwer erkennen könnt, habe ich mich am Ende doch dazu entschlossen, es mit einzubeziehen. Auch wenn ich keineswegs auf alle Kleinigkeiten und Facetten der Liebe eingehen kann, so versuche ich doch allen meine Sicht, also die der Neomaten, in Bezug auf dieses Thema ein wenig näherzubringen.

Vorweg gesagt verhält sich die Liebe wie alles andere, was den Menschen betrifft. Sie kann nicht isoliert betrachtet werden. Jeder Mensch hat, vor allem was die Liebe betrifft, eine eigene Sicht der Dinge. Im Folgenden gehe ich von der Grundthese aus, dass Liebe ein Gefühl ist und alle Gefühle nur die Summe ihrer Gedanken sind.

Viele Menschen sehen als Gegenteil von Liebe immer den Hass, doch es gibt eigentlich keinen großen Unterschied zwischen den beiden. Beides sind Fixierungen. Beide kennzeichnet die Unfähigkeit, die Summe der Gedanken zu erfassen. Liebe geht jedoch viel weiter als Hass. Während Hass, wie bereits erwähnt, aus der Wiederholung von Wut entsteht, kann Liebe aus irgendeinem Grund aus dem Nichts kommen. So z. B. die Liebe auf den ersten Blick. Ich habe bei meinen Nachforschungen versucht, diesen Grund zu finden und zu verstehen. Ich hatte Erfolg. Hinter allem stecken wie immer nur eure Gedanken. Die Liebe summiert sich nicht nur durch Erfahrung und Erinnerung, sondern es kommen noch Assoziationen hinzu. Diese wirken jedoch wie Multiplikatoren und das erklärt, warum Liebe so explosionsartig auftreten kann. Weil das Gehirn viel schneller arbeitet als das Bewusstsein, kann Verliebtheit aufkommen, noch ehe der erste Blickkontakt zu Ende geht. Liebe hat auch biologische Folgen, die ich euch aber an dieser Stelle ersparen möchte. Das einzig Erwähnenswerte ist, dass diese biologischen Folgen im Durchschnitt nach drei bis vier Jahren wieder verschwunden sind. Ein sehr interessanter Zeitraum, wenn man mal bedenkt, wie lange eine Beziehung im Durchschnitt hält.

Jeder ist sich der Konsequenzen der Liebe bewusst, manche verfallen sogar in Melancholie, wenn sie nicht lieben können oder nicht geliebt werden. Andere suchen sie jeden Tag aufs Neue und wieder andere hoffen auf die sogenannte große Liebe ihres Lebens. Ob nun mit oder ohne Happy End, fast jeder sehnt sich danach. Meist sind die Folgen dann für ein paar Tage oder gar Monate Kummer und Trauer. Die Zeit heilt diese Wunden und die Suche kann von vorn beginnen. Einige wollen sich nie so richtig in der Wahl ihres Partners festlegen, es könnte schließlich noch ein besserer auftauchen. (Auf einem weißen Pferd in glänzender Rüstung …) Andere, vor allem die Romantiker unter euch, wollen ihr Leben für „die Eine“ (oder „den Einen“) hingeben. Wer liebt, der lebt! Nüchtern betrachtet tut das aber jeder, der atmet und die Wasser- und Nahrungszufuhr nicht vergisst.

Betrachtet man Liebe als eine Art Virus, so hat wohl niemand ein ausreichend starkes Immunsystem dagegen. Wie bei allen Erkrankungen gibt es jene, die den Verlauf der Krankheit gut überstehen, andere können jedoch daran zugrunde gehen. Ein Allheilmittel gibt es nicht und wird es auch mit einer neuen Denkweise nicht geben. Ja, sogar ein Neomat kann sich verlieben.

„Wo die Liebe hinfällt …“ Was bewirkt Verliebtheit nun also? Im Grunde genommen nicht sehr viel mehr als Hass auch. In erster Linie macht sie blind, dann folgt die Fixierung und am Ende steht wie immer Ernüchterung. In extremen Fällen kann Liebe auch in eine Art Besessenheit münden. Dann hat das aber nur noch sehr wenig mit Friede, Freude und Eierkuchen zu tun, sondern ist nur noch eine reine Fixierung, die sogar hin und wieder in Hass umspringen kann.

Viele sind der Auffassung, dass man es sich nicht aussuchen kann, in wen man sich verliebt. Diese Theorie ist nur teilweise richtig. Wenn man nicht Herr über seine eigenen Gedanken ist, so kann es durchaus vorkommen, dass man bei der Wahl seines Partners sicherlich sehr wenig Souveränität hat. Wer sich aber bewusst ist, was er denkt und was er am Ende will, der kann sich auch aussuchen, wem er seine ganze Liebe schenken will. Das kann praktisch jeder sein und selbst die größten Erzfeinde könnte man anhimmeln. Es ist also viel mehr eine Frage des Wollens und nicht des Könnens.

Sehr merkwürdig ist ebenfalls die Tatsache, dass viele sich dagegen sträuben, in Liebe zu beenden, was als Freundschaft angefangen hat. Viele sind der Auffassung, dass Liebe, wenn sie endet, sehr destruktive Folgen hat und die Freundschaft schlussendlich unter ihrem Druck zusammenbricht. Lieber auf ewig nur gute Freunde bleiben und sich selbst im Wege stehen, als es zu versuchen und das „Schicksal“ herauszufordern. Bei euch Menschen ist doch Freundschaft etwas so Starkes und Unbeirrbares? Wie kann denn ein Gedanke alleine ausreichen, etwas so Großartiges zu zerstören?

Mir ist weiterhin aufgefallen, dass man das Wörtchen Liebe nicht mit dem Wort Beziehung verwechseln darf. Nicht jede Beziehung beruht auf gegenseitiger Liebe und nicht aus jeder Liebschaft resultiert auch am Ende eine Beziehung. Es gibt durchaus viele Beziehungen, die nur aus sachlichen Gründen aufrechterhalten werden. Viele Beziehungen bestehen auch deswegen nur, damit keiner der beiden Parteien alleine sein muss. Ihr seid wirklich die mit Abstand fragwürdigste Spezies dieser Erde. Wieso nur fällt euch das Leben so schwer, wenn ihr doch alles darauf abzielt, in einer doch möglichst einfachen Welt zu leben?

Wenn jetzt alle Hindernisse und Steine aus dem Weg geräumt wurden und ihr es geschafft habt, euch endlich nach dem ganzen Hin und Her zu verlieben, dann gratulier ich euch. Das „Gefühl“, das ihr jetzt habt, kann alle anderen in den Schatten stellen und ist sogar euphorischer als Freude selbst. Es hat seine Berechtigung, dass Liebe, von so vielen großen Denkern, als das mächtigste Gefühl der Welt beschrieben wurde. Mein Tipp für alle, die immer noch nach der großen Liebe suchen: Hört auf damit! Auch hier gilt, das Suchen verhindert das Finden! Ihr setzt euch ein Bild in den Kopf und erhofft dieses zu finden. Jeglicher Vergleich des Bildes mit der Realität muss scheitern! So kann am Ende nichts dabei rauskommen. Ich habe die wahre Liebe beobachtet und sie versteckt sich meist immer in eurer Nähe!

– Nur wer mit Verstand liebt, der lebt ewig und schön!

*** Alles andere ***

Jeder Gedanke addiert mit andern Gedanken, Erfahrungen oder Erinnerungen resultiert zwangsläufig in einem Gefühl. Da ist es sicherlich nicht verwunderlich, dass es noch viele weitere Gefühle gibt. Nostalgie, Nervosität, Aufregung, Euphorie und so weiter und so fort. Es gibt jedoch eins, dass euer Leben noch bedenklich mehr prägt als alle anderen zusammen. Liebe mit einbezogen. Dieses Gefühl bedarf tatsächlich eines eigenen Kapitels. Es ist das Gefühl der Angst.

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