Dieses Märchen soll wie jede gute Geschichte beginnen. Es war einmal…
Es war einmal ein kleiner Brunnen, der wie viele andere Brunnen auch, einen unerschöpfliche Quell reines Wasser besaß. Eines guten Tages kam ein Bauernjunge vorbei und fing an den Brunnen auszuschöpfen. Der Brunnen mochte den Jungen, den er war stets nett und kam jeden Tag wieder. Auch der Junge mochte den Brunnen, den dieser gab ihm schließlich dieses wohltuende Lebenselixier namens Quellwasser. So kam es, dass aus dieser Freundschaft ein Bund fürs Leben wurde. Der Bauernjunge kam jeden Tag, Tag für Tag, egal ob es regnete oder die Sonne am Himmel schien. Die Jahre vergingen und der Bauernjunge wurde der tägliche Marsch zum Brunnen zu einer Last. Es gefiel ihm einfach nicht mehr so wie am Anfang und er gab dem Brunnen die Schuld dafür. „Dein Wasser schmeckt mir nicht mehr!“ schimpfte er den Brunnen aus. Der Brunnen war tief verletzt. Er war sich keiner Schuld bewusst und wollte dem Jungen doch nie etwas Böses tun. Doch der Bauernjunge hörte nicht auf. Er schmiss mit Dreck und Steinen in den Brunnen, jeden Tag wurde es schlimmer und schlimmer. Der Brunnen litt unsägliche Schmerzen und wollte, dass der Bauernjunge aufhört. Doch er konnte nicht weg. Er war an seinen Platz gebunden. So wie alle andern Brunnen auch. Eines verregneten Tages war es dann soweit, dass der Bauernjunge mit all dem Schrott, den Brunnen verstopfte und dieser ihm nun kein Wasser mehr geben konnte. So kam es wie es kommen musste, der Bauernjunge zog weiter und ließ den armen Brunnen alleine zurück. Die Tage vergingen und Regenwasser sammelte sich auf dem Dreck im Brunnen. Es kamen schöne Tage und Tage, an denen der Brunnen leise vor sich hin weinte.
So vergingen ein paar Monate und ab und an kam ein neuer Mann vorbei um sich an dem Brunnen zu bedienen. Als aber das Regenwasser aufgebraucht war, so schien es für die Männer immer, als sei der Brunnen leer. Sie warfen Steine hinein um das Aufschlagen zu hören und verließen den Brunnen dann wieder um zum Nächsten zu ziehen. Dass diese Männer dem Brunnen damit nur noch weiter schadeten, das wussten sie nicht. Wie auch, der Brunnen hatte ja keine Möglichkeit es ihnen zu sagen. Die Zeit verging und der Himmel weinte leise über dem Brunnen. Dieser verlor alle Hoffnungen jemals wieder der einzige Brunnen für jemanden zu sein.
Doch dann geschah etwas sehr merkwürdiges.
Eines guten Tages, die Sonne stand hoch am Himmel und die Vögel zwitscherten, kam ein Narr am Brunnen vorbei. Der Narr trällerte auf seiner Laute und sang fröhliche Lieder. „Oh, Hallo du, mein lieber kleiner Brunnen. Hast du den keinen, der Tag für Tag bei dich kommt und dein Wasser trinkt?“ Der Narr beugte sich über den Brunnen und sah in den dunkeln Abgrund hinab. „Hm scheint als wäre da doch Wasser drin!“ Er ließ den Eimer hinab und zog ihn gefüllt mit Regenwasser wieder hinauf. Der Narr kostete das Wasser und meinte verdutzt: „Na ja Quellwasser ist das nicht, aber Regenwasser schmeckt doch auch! Weißt du was kleiner Brunnen? Ich bleibe und erzähle dir von meinen Abenteuern. Ich habe im Moment ja nicht viel zu tun und wie du sicherlich schon bemerkt hast, so bin ich ein Spielmann und ein Narr, dir wird meine Anwesenheit bestimmt gut tun!.“
Der Brunnen verstand nicht wirklich, warum dieser Narr sich mit ihm unterhält. Wo dieser doch weiß, dass er nur Regenwasser bekommen kann. Doch die Tage vergingen und der Narr war immer noch da und nahm sich ab und zu ein bisschen Wasser aus dem Brunnen. Der Brunnen jedoch hatte Angst. Er wusste, dass bald kein Wasser mehr da war und, dass der Narr dann weiterziehen würde. Jedoch fing der Brunnen an den Narren zu mögen. Der Narr erzählte seine Geschichten und übertriebenen Heldentaten. Er sang nachts dem Brunnen ein Ständchen und tanzte morgens vergnügt um ihn herum.
Doch es kam der nicht ausweichbare Tag, an dem der Eimer vom Narren hinaufgezogen wurde und leer war. Der Brunnen zittere vor Angst, er wusste was jetzt passieren würde. Jetzt würde der Narr ihn verlassen.
Der Narr lugte verdutzt in den Eimer und meinte zum Brunnen: „Leer? Wie kann das sein?“ Er beugte sich abermals über und blickte in den Abgrund. Er rief in die Dunkelheit: „Huhu, ist da noch Wasser?“ Nichts. Nur sein Echo war zu hören. Der Narr schaute sich um, ergriff einen Stein: „Entschuldige, wenn das jetzt weh tut, aber ich muss mal gucken was da los ist.“ Der Stein fiel in die Tiefe und schlug auf. „Aha, also doch leer!“ meinte der Narr. „Ich meine aber nicht den Grund des Brunnens gehört zu haben! Ich bin in meinem Leben schon viel herumgekommen und ich kenne das Geräusch, wenn ein Stein am Grund aufschlägt! Ich werde mich jetzt hier hin setzen und ein wenig überlegen.“
Der Brunnen verstand nicht wirklich, was der Narr damit meinte, doch wer versteht schon einen Narren.
Ein paar Tage vergingen und die Wasserreserven des Narren neigten sich dem Ende zu. „Verflixt und zugenäht! Was kann ich nur tun?“ Der Narr packte seine Sachen und machte sich ohne was zu sagen auf den Weg.
Der Brunnen stand wieder alleine da. Trauriger als je zuvor und verstopft mit Erinnerungen an alte Tage. Dreck, Mist und Schrott von unzähligen Bauernjungen und Möchtegernmänner. Der Himmel weinte wieder leise über dem Brunnen.
Als am nächsten Tag die Wolken weiterzogen und die Sonne sich blicken lies, ertönte das liebliche Pfeifen einer bekannten Laute und siehe da, der Narr kam quietschfidel wieder zum Brunnen gehopst. „Da, bin ich wieder mein lieber kleiner Brunnen, ich hoffe du hast dir keine Sorgen gemacht. Ich war in die Stadt und habe die andern Bürger um Rat gefragt. Leider ohne großen Erfolg muss ich eingestehen. Die sind alle ein wenig kleinkariert und blind. Man hat mir geraten dich hier stehen zu lassen und einfach einen neuen Brunnen aufzusuchen. Man hat auch gemeint, dass ich mir doch nicht so den Kopf darüber zerbrechen sollte. Man schimpfte mich dumm und töricht und bat mich schlussendlich mich zum Teufel zu scheren.“
Der Brunnen verstand nun wirklich die Welt nicht mehr. Der Narr war zurück gekommen.
Der Narr legte sich neben den Brunnen schaute gen Himmel und fing an laut zu denken. Nach einer Weile schlief er ein. Der Brunnen machte sich große Sorgen. War er doch so hilflos, könnte er dem Narren doch nur sagen, dass er nur verstopft ist und, dass unter der Schicht aus Dreck noch so viel schönes Wasser auf ihn wartet.
Ein weiterer Tag verging und dem Narren ging das Wasser komplett aus. „Oh, mich plagt wohl gleich der Durst. Ich weiß du könntest, doch aus irgendeinem Grund willst du mir nicht dein Quellwasser geben! Was mag dir passiert sein du armer Brunnen?“
Noch ein Tag verging und der Narr stand immer noch neben dem Brunnen. Dieser konnte nur mit ansehen, wie es dem Narren deutlich schlechter ging und wie der Durst an ihm zerrte. Hilflos weinte auch jetzt der Himmel wieder über dem Brunnen.
„Regen, oh herrlicher Regen. Die Tränen des Himmels, der Nektar meiner Verzweiflung. Wie ich dir danke, du schenkst mir noch einen Tag um dieses Rätsels Lösung näher zu kommen.“ Brach es aus dem Narren heraus.
Als die Sonne wieder lachte und ein Sonnenstrahl des Narren Gesicht kitzelte, ergriff dieser den Eimer und das Seil. Stieg auf den Brunnen und fing an sich abzuseilen. Der Brunnen dachte nur, der Narr hätte jetzt komplett den Verstand verloren. Doch der Narr lies nicht locker und es ging tiefer und tiefer in den Brunnen hinein. Doch war er schließlich nur ein Narr und bedachte nicht, dass das Seil nicht reichen würde um ganz nach unten zu gelangen.
So hing er nun in der Tiefe und blickte nach unten. Irgendwo dort im tiefen Schwarz liegt des Rätsels Lösung. Er blickt nach oben und sah nur noch ganz knapp den Himmel. Er wusste, würde er das Seil los lassen, so würde er das Problem mit dem Brunnen vielleicht lösen können, jedoch seine schöne Welt, die er in all den Liedern und Geschichten besungen und bewundert hat, die würde er nie wieder sehen. Der Kopf des Narren ging auf und ab, die Blicke ins Licht und in die Dunkelheit abwechselnd immer und immer wieder.
„Ich weiß, ich kann hinauf klettern, zum nächsten Brunnen ziehen und diese Geschichte besingen. Doch sieht die Welt in mir einen Narren…“ Er pauste. „…und so soll es sein.“ Er lies das Seil los, ein Lächeln auf den Lippen und mitsamt Eimer stürzten beide in die Tiefe.
Der Aufprall auf dem Schrotthaufen, der den Brunnen verstopfte war so heftig, dass er unter dem Gewicht des Narren zusammenbrach und der Narr am Ende im Quellwasser landete. Nach kurzer Zeit kam der Narr wieder zu sich und blickte nach oben. Nichts. Nur Dunkelheit, keinen Himmel und auch keinen Sonnenstrahl war mehr zu vernehmen. Dann fühlte er um sich herum das Wasser, das seinen ganzen Körper einhüllte und er begann vor Freude lauthals zu lachen! Er planschte und freute sich und kam aus dem Lachen nicht mehr heraus. „Danke, oh Danke du Brunnen! Das ist schöner als ich es mir je erdacht habe!“
Es gab unendlich viel Wasser am Grund und so kam es, dass der Brunnen von nun an nie wieder alleine sein musste.
Auch jetzt 50 Jahre später hört man die Leute sagen, dass wenn man genau hinhört man manchmal noch das Lachen des Narren aus den Tiefen des Brunnen vernehmen kann und wenn der Brunnen noch irgendwo steht und der Narr nicht an dem reinen Lebensquell ertrunken ist, ja dann leben beide auch heute noch glücklich und zufrieden!