Märchen und Metaphern

Der unzeitgemäße König

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Vor sehr langer Zeit, im frühen Mittelalter, lebte einst ein König, der sich trotz all seiner Hofdamen und Mätressen doch sehr alleine fühlte. So kam es, dass unser König eine ganz merkwürdige Idee hatte. Was geschah, erzähle ich euch jetzt und hier.

Zuerst aber will ich mich mal vorstellen. Ich bin der Hofnarr und meine Aufgabe war es, eine Königin zu finden. Nicht ganz einfach, muss ich zugeben, dennoch habe ich mein Möglichstes getan. Die Sache war nur, der König war um es mal subtil auszudrücken seiner Zeit ein wenig voraus. Er war nicht verrückt, aber ganz normal war er mit Sicherheit auch nicht. Ich wünschte ich könnte rückblickend sagen, dass er ein Genie war, aber dann müsste ich lügen. Er war ganz und gar eigenartig in seiner sehr eigenen Art. Für ihn zu arbeiten war sicherlich nicht immer leicht, aber was tut man nicht alles für die Narrenfreiheit.

Wie bereits erwähnt, war es nun an mir, die Königin zu finden, die am besten zu ihm passte. Seine Idee war es nun eine Art „Casting“ zu machen. Dafür führte er das Wort sogar selbst ein und nannte das ganze „König sucht Frau“. Ich habe den Witz heute noch nicht verstanden, aber er lachte herzhaft, als er mir davon erzählte. Solche Witze machte er ständig. Dabei war es doch immer meine Aufgabe die Leute zu unterhalten. Wie dem auch sei, ich habe also alle Damen des Reiches eingeladen auf dieses „Casting“. Die Bedingung war nur, dass der König selbst nicht dabei ist und erst am Ende der Show so zu sagen als Preis übergeben wird und der Herzdame die Krone aufsetzt.

Als der Tag kam, wurde der Thronsaal geräumt und über dem Thron nur ein Bild des Königs mit einer Maske aufgehängt. Eine einzige große Fackel erhellte den gesamten Raum. Unzählige Damen ließen den Raum mit der Zeit doch recht einengend wirken. Als dann die letzten paar Damen endlich ihren Weg hinein gefunden haben, schloss das Tor und es passierte erst mal rein gar nichts. Stille ging durch die Reihen, ich kippte mir noch einen Schnaps hinter die Binde und trötete los. Springend, tanzend und merkwürdige Geräusche von mir gebend, drängte ich mich nach vorne durch all diese Damen hin zum Thron. Ich setzte mich lässig auf des Königs Stühlchen und blickte von oben herab auf diese immense Herde Hühner. Die Blicke die mich trafen gingen von fragend bis mörderisch. Interessierte mich aber recht wenig, ich hatte schließlich jetzt eine ganz schön schwere Aufgabe vor mir. Unter all diesen Raumteilern war die „Eine“. Mir wäre es lieber die Nadel im Heuhaufen zu suchen, den die unterscheidet sich wenigstens vom Heu. Aber was solls, der Wille des Königs ist Gesetz und wer bin ich schon, dieses Gesetz in Frage zu stellen, denn schließlich bin ich doch nur der Narr. Ich stellte mich auf den Thron räusperte mich ein wenig um Ruhe einkehren zu lassen und das Gekicher vereinzelter zu stören.

„Liebe Damen, Frauen, Fräuleins, Weiber, Omas, Ladys, Möchtegernprinzessinnen, Transvestiten, Mädels und so weiter, mein Name ist unwichtig und ich bin heute ihr Gastgeber und Moderator dieser Show. Ihr alle habt heute und hier die Möglichkeit Königin zu werden. Es liegt ganz alleine an euch. Ihr müsst dafür nur eins tun: Mich davon überzeugen, dass ihr die Richtige seid! Klingt doch sehr einfach, das dürften sogar ein paar von euch hinbekommen. Ich bin die Jury, ich alleine entscheide am Ende, wer des Königs Braut werden darf. Wem das nicht passt, kann jederzeit diesen Saal verlassen.“ Knapp ausgesprochen gingen schon ein paar aus dem Saal raus. Das witzige kommt erst noch. Ich wollte die Sache ja so schnell wie möglich über die Runde bringen, also hatte ich mir da so einen kleinen Trick ausgedacht. Ich sprang auf und lief Hinter die Kulissen, meinen Rucksack suchen. In ihm befinden sich immer sehr wichtige und interessante Dinge, manchmal nicht mal beabsichtigt und gewollt aber trotzdem dann doch irgendwie sinnlos. Wie auch immer. Ich kam also mit diesem Sack wieder zurück, setzte mich wieder locker lässig auf den Thron und zog einen Spiegel aus dem Sack, jedoch so, dass die Damen diesen nicht sahen. Ich blickte in den Spiegel und wartete, das Ruhe wieder einkehrt und jede auf meine Worte horchten. Ich glotzte also weiter so vor mich hin und blickte ab und zu mal über den Rand hinaus auf die Damen. Ich legte den Spiegel langsam wieder zu Seite und räusperte mich erneut.

„So meine lieben Wiederkäuer, diejenigen von euch die sich jetzt schon sicher sind, dass sie den König lieben, heben bitte die Hand.“ Jetzt gingen viele Hände in Höhe. Erschreckend; dachte ich mir, doch es sollte noch besser werden:

„Okay, sehr schön, alle die jetzt die Hand oben haben dürfen gehen. Danke, dass ihr meine Zeit nicht weiter verschwendet. Ihr kennt den König ja noch nicht einmal persönlich, liebt ihn aber jetzt schon. Haltet ihr mich für einen Narren? Haha, Fangfrage darauf will ich jetzt keine Antwort. Ach und, diejenigen, die jetzt nicht freiwillig gehen, des Königs Henker steht schon bereit.“

Ihr hättet die Gesichter sehen sollen. Manchmal ist es einfach nur schön er Hofnarr zu sein. Allen anderen Damen sah man die Schadenfreude richtig an. Die Zahl hatte sich drastisch minimiert, was auch gut war. Es sollte noch leerer werden:

„Ihr wisst ja, dass ihr als Königin leider kein Anrecht auf den Besitz des Königs habt. Das soll heißen, sein Geld ist nicht euer Geld, sein Land ist nicht euer Land und so alles was sein ist, gehört auch eigentlich nur ihm allein! Das wollte ich nur mal so erwähnt haben.“ Ich nahm wieder den Spiegel in die Hand und guckte amüsiert zu wie einige der Damen sich auf den Weg nach draußen begaben. Jetzt habe ich es geschafft die Menge im Saal doch auf eine anschaubare kleine Gruppe zu reduzieren. Immerhin nur noch 10 Damen waren übrig.

„So ihr Lieben, ihr seid im „Recall“, ich gratuliere euch. Ihr werdet nun separat von mir ausgefragt und ich endscheide dann, welche von euch, die Krone verdient!“

Kurz darauf stellte ich fest, dass 2 von diesen Damen taubstumm waren und daher die ganze Zeit nicht wirklich mitbekommen haben, was abging. Dies war kein Grund, ihnen nicht dennoch eine Chance zu geben. Ich habe ihnen einfach alles aufgeschrieben was bisher gesagt wurde und da haben sich die Damen auch verabschiedet. Schade, eine von ihnen schien doch sehr nett zu sein und die hätte den König sicherlich nie zu gelabert.

Acht Stück noch. Eine weniger und der König hätte eine Königin für jeden Tag. Wäre auch lustig gewesen, aber ich nahm meine gestellte Aufgabe sehr ernst. Dem König zu Liebe und, weil ich nicht an den Galgen gehangen werden wollte. So fuhr ich also mit meiner Selektion fort. Ich griff mir den Spiegel und rief die erste zu mir hoch. Als sie so neben mir stand, zeigte ich ihr den Spiegel und fragte, was sie den darin sehen würde. Ihre Antwort kurz und einfallslos: „Mich.“ Ich bedankte mich bei ihr und schickte sie nach Hause. Dann rief ich die zweite zu mir hoch, auch ihr zeigte ich den Spiegel. Ihr Antwort war schon etwas besser: „Ich sehe die zukünftige Königin!“ Auch bei ihr bedankte ich mich und schickte sie der ersten hinterher. Das gleiche Spiel wiederholte sich noch weitere 4 Mal und ich befürchtete, dass die letzten Beiden auch nicht viel besser abschneiden würden. Ich sollte mich irren. Die Zweitletzte kam zu mir, guckte in den Spiegel und antwortete erst einmal gar nicht. Sie guckte nur weiter und weiter in das ovale Ding und blickte mich dann fragend an. Dann meinte sie zu mir: „Was bitte soll ich den in diesem Spiegel sehen? Ich kann nichts ungewöhnliches feststellen. Sieht alles ganz normal aus.“ Ich war ein wenig überrascht. So eine doch sehr gelungene Antwort hätte ich nicht erwartet. Ich bedankte mich und schickte sie zurück zur letzten Kandidatin. Ich rief diese zu mir und auch sie sollte mir eine Antwort geben die zum Nachdenken anregt. Sie guckte in den Spiegel und flüsterte mir dann ins Ohr: „Nichts. Ich sehe Nichts!“ Ich bedankte mich auch bei ihr. Jetzt saß ich also da auf des Königs Thron, vor mir die letzten beiden Damen, die noch übrig waren und eine von den Beiden sollte nun durch meine Worte zur Königin gemacht werden. Man konnte die Spannung im Raum fast schneiden. Aber ich stand auf, entschuldigte mich höfflich und zog mich erst einmal zurück. Ich musste nämlich dringend aufs Klo. Das wussten die Beiden aber nicht, die dachten ich würde mir Gedanken darüber machen, wer die Siegerin sein wird. Als ich mein Geschäft verrichtet hatte, kehrte ich wieder zu den Damen in den Thronsaal, sprang mit Schwung auf den Thron und blickte in den fast leeren Saal. Da fiel mir auf einmal eine Bedienstete des Königs auf, die gerade dabei war, den Boden zu kehren. Ich starrte sie förmlich an, doch sie bemerkte dies nicht weiter. Die beiden Finalistinnen wurden langsam ungeduldig und stupsten mich an. Ich blickte auf sie nieder und meinte dann eiskalt: „Ihr könnt nach Hause gehen.“ Sie sahen mich mit weit aufgerissenen Augen an und taten dann doch wie es ihnen gesagt wurde. Ich setzte mich wieder hin und schaute der Putze weiter zu. Irgendwas stimmte nicht an diesem Bild. Zehn Minuten später, sie immer noch am kehren, ich immer noch am zusehen. Sie war so in ihre Arbeit vertieft, dass sie nicht merkte, dass sie die letzte Frau in diesem Raum war. Ich rief sie zu mir und fragte: „Sag mal, wie kommt es, dass du nicht bei diesem „Casting“ dabei warst?“ Sie schaute verschämt auf den Boden: „Ich bin doch nur eine Putze, ich habe doch nicht das Recht mir Hoffnung auf die Königinnen-Krone zu machen.“ Sie gefiel mir auf Anhieb. Sie war nicht wie alle anderen. Ich griff zu meinem Sack und zog die Krone raus. Ich setzte ihr diese auf und lächelte: „Dieses Recht brauchst du jetzt nicht mehr. Du sollst meine Königin sein.“

 

Ja ich weiß was ihr jetzt denkt. Der Narr ist selbst der König. Auf dieses Ende hätte man auch selbst kommen können.

Die neue Königin blickte mich an und fragte: „Womit habe ich das verdient?“

Ich lachte lauthals: „Ist doch egal womit, am Ende bekommen wir immer das, was wir verdienen. Aber wenn du unbedingt eine Antwort willst, so will ich sagen: Ich bin doch nur ein Narr.“

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